Quantcast
Channel: FILM & TV KAMERAMANN» Willem Dafoe
Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Cannes 2014 – am Rande bemerkt nach dem Palmarès

$
0
0

Festival de Cannes 2014: Die Preisentscheidungen sind gefallen, in der glamourösen Abschlussfeier am Abend des 24.5. wurden sie für den Wettbewerb bekanntgegeben.
Für alle, die nicht drinnen im gut bewachten «Grand Théâtre Lumière» dabei sein konnten, übertrug’s der Fernsehsender Canal Plus unverschlüsselt über Antenne und als Live-Stream im Internet, nebst dem sich über fast eine Stunde hinziehendem Einlassritual über die mit rotem Tepppich in Hektarmaßen belegten Treppen des Palais des Festivals, anschließendem «Photocall» bei letztem Tageslicht draußen und kurzen Einzelpressekonferenzen mit den Gewinnern nach der Feier.

Cannes_Logo_blau

Online meldete Sekunden nach der Preisvergabe  «Libération» als erstes Presseorgan die Preise. In der Nacht und bis zum Sonntagmittag folgten pflichtgemäß alle möglichen Medien, Institutionen und Firmen rund um die Welt, die irgendwie mit Film zu tun haben oder zu tun haben wollen. Wir verweisen auf den ganz unten wiedergegebenen Link zur Website des Festivals und schicken hier nur ein paar rund ums Festival beobachtete Splitter in den Äther.

1 – Jung und Alt
Da der Jurypreis ex aequo an den jüngsten und an den ältesten Wettbewerbsteilnehmer ging – an Xavier Dolan aus Québec für MOMMY und an Jean-Luc Godard für ADIEU AU LANGAGE (GOODBYE TO LANGUAGE) – versäumte fast niemand, das als Zeichen der Frische der Jungen, der Alten und des Festivals zu erwähnen. Der  25jährige Dolan sah die Parallelität darin, dass heute nicht weniger als damals bei vielen der Wunsch bestehe, einen eigenen, freien und unabhängigen Ausdruck zu finden.
Jean-Luc Godard, mit 83 der Ältere im neugekürten Duo, war natürlich nicht zur Zeremonie erschienen, vielleicht ein Zeichen von Provokation, die er wohl heute bisweilen noch für genauso angebracht hält wie vor 50 Jahren. Von seinem Film fühlten sich die einen – darunter etliche, die deutlich jünger sind als er – übermäßig provoziert, andere, die Jurypräsidentin eingeschlossen, lobten das Werk. Und wir sind gespannt, ob der Kinomarkt es zulässt, dass wir es in Deutschland sehen können oder ob wir dazu nach Paris oder in die Schweiz reisen müssen.

Daniel Brühl übergibt die Preisurkunde an Xavier Dolan. © Canal Plus

Daniel Brühl übergibt die Preisurkunde an Xavier Dolan. © Canal Plus

Als Preisübergeber der beiden Jurypreise war Daniel Brühl gekommen. Der mehrsprachige deutsche Schauspieler glänzte mit ein paar klugen, geschliffenen, gut abgewogenen Sätzen in perfektem Französisch mit einem ganz leichten, aber charmanten deutschen Akzent.

2 – Selbstbewusstsein
Überhaupt Französisch: Der souveräne Zeremonienmeister in Person des französischen Schauspielers Lambert Wilson machte gleich zu Anfang nach einer polyglotten – auch deutschen – Begrüßung schnell und elegant klar, dass er die Feier auf Französisch fortführen werde. Welches deutsche Festival hat noch den Mut zur eigenen Sprache?

3 – La bise
Noch etwas Landestypisches ist ja die Begrüßung mit beidseitigem Wangenkuss. Auch Gilles Jacob, der 83jährige und nach dem Festival abtretende Festivalpräsident, pflegt sie. Kein Problem etwa mit Jurypräsidentin Jane Campion auf der Bühne, aber der zarte Kussaustausch vor ein paar Tagen bei der Begrüßung des Jurymitglieds Leila Hatami hatte zur breiten Entrüstung bei Religions- und Sittenwächtern in der iranischen Heimat der Schauspielerin geführt und zur Forderung nach einer Bestrafung von ihr nach islamischen Recht.

Gilles Jacob und Leila Hatami bei «la bise». Um sie herum die Jurymitglieder Willem Dafoe, Zhangke Jia und Gael Garcia Bernal (v.l.n.r.). © Canal Plus

Gilles Jacob und Leila Hatami bei «la bise». Um sie herum die Jurymitglieder Willem Dafoe, Zhangke Jia und Gael Garcia Bernal (v.l.n.r.). © Canal Plus

Die hübsche Hatami, die in Cannes bei keinem Anlass ohne Schleier oder schleierähnliche Kopfbedeckung auftrat, entschuldigte sich mittlerweile beim iranischen Filmverband dafür, dass die Begebenheit die Gefühle der Gläubigen im Iran verletzt haben könnte, und begründete das Geschehen damit, dass Jacob möglicherweise auf Grund seines hohen Alters nicht die iranischen Sitten bedacht habe und sie ihrerseits nicht unhöflich habe sein wollen. Umgedreht gibt es ja auch im Westen den Kopftuchstreit…

5 – Quentin Tarantino und Film
Regisseur Quentin Tarantino war für mehrere Tage nach Cannes gekommen. Er war eine Art Ehrengast, PULP FICTION, mit dem er vor 20 Jahren auf dem Festival war und die Goldene Palme holte, lief gestern als Abschlussfilm. Und natürlich als einziger Film des ganzen Festivals, als 35-Millimeter-Filmkopie. Tarantino vertrat in einer Pressekonferenz zwei Tage vorher vehement, eloquent und irgendwie jugendlich das Medium Film nicht nur in der Akquisition, sondern auch in der Projektion. Sonst könne man sich auch gleich eine DVD zu Hause ansehen, die seien heute auch schon sehr gut.

Quentin Tarantino in seiner Pressekonferenz. © Festival de Cannes

Quentin Tarantino in seiner Pressekonferenz. © Festival de Cannes

Er sammelt Filmkopien und nutzt seine wirtschaftliche Unabhängigkeit, um sie in Filmprojektion zu studieren und sich zu inspirieren. Er sei, sagte er, eine Art Privatgelehrter und dabei immer noch in der Ausbildung, sein Diplom bekomme er erst zum Lebensende. Irgendetwas muss an seiner Vorliebe für die fotochemische, lichtprojizierte Stofflichkeit sowie Action und Musik als Erzählmittel dran sein und irgendetwas muss schon jetzt bei seinen Studien herausgekommen sein, sonst würden wohl nicht so viele Menschen Geld für Kinokarten seiner Filme ausgeben wollen wie zuletzt bei DJANGO UNCHAINED.
Und noch etwas in puncto Film: 10 von 18 Produktionen im Hauptwettbewerb sind auf  Film gedreht worden, Alice Rohrwachers LE MERAVIGLIE (THE WONDERS) sogar in Super-16 (fotografiert von Hélène Louvart, AFC). 16 Millimeter? Auch zum Beispiel INCOMPRESA (MISUNDERSTOOD, Regie: Asia Argento, Italien, im «Certain Regard») und ALLELUIA (Regie: Fabrice Du Welz, Belgien, in der «Quinzaine des Réalisateurs») sind 16mm-Produktionen.

6 – Es gibt nicht nur «La Compétition»
AMOUR FOU von Jessica Hausner aus Österreich, der einzige deutschsprachige Film in einer der Hauptreihen, lief – wie schon berichtet – im «Certain Regard», der eigentlich eine beachtenswerte Sektion ist mit Filmen, auf die man ruhig schauen sollte. Noch ein bisschen weniger international beachtet wird die vom französischen Regieverband kuratierte, vom Festival unabhängige Reihe Quinzaine des Réalisateurs. 28 Filme aus verschiedenen Ländern liefen hier, 17 lange und 11 kurze, von denen der eine oder andere bestimmt international auftauchen und vielleicht auch bei uns laufen wird.

Alle Preise des Festivals von Cannes hier

Cannes im FILM & TV KAMERAMANN
Unser großer Festivalbericht erscheint in der Printausgabe 7/2014 am 20.6.2014.

und auf www.kameramann.de
# Cannes: letzter Tag vor der Palmenvergabe

# Halbzeit in Cannes: Dardenne-Brüder, Naomi Kawase, Wim Wenders…

# Sonntag in Cannes: eine Art Western und eine Nach-68er-Land-WG in der Toskana

# Am 2. Tag in Cannes: TIMBUKTU und MR. TURNER

# In Cannes zum Beispiel: Jessica Hausner mit AMOUR FOU und Alice Rohrwacher mit LE MERAVIGLIE

Ferner haben wir beim Festival oder kurz davor uns mit gut zwei Dutzend Kamerafrauen und Kameramännern und einigen Regisseuren aus aller Welt getroffen und uns mit ihnen über ihre Arbeit unterhalten, darunter sind auch Filme in den Nebenreihen. Die Gespräche veröffentlichen wir nach und nach, je nachdem, wann die Filme bei uns herauskommen.

 

 


Viewing all articles
Browse latest Browse all 2

Latest Images





Latest Images